Meilensteine des Quantencomputing II

Seminarvortrag zum 15.01.2004

von W. Meixner

 

 

 

 

Zusammenfassung:

Wir deuten Quantencomputing als Grenzgebiet zwischen Informatik und Physik. Die historischen Anfänge einer "Schnittstelle" zwischen Informatik und Physik liegen in der Definition der Begriffe Information und Entropie. Die Entwicklung der Quantenmechanik hin zu einer Quantenlogik auf Seiten der (theoretischen) Physik bzw. die unabhängige Entwicklung einer informatischen Logik auf Seiten der (theoretischen) Informatik konvergieren in dieser Schnittstelle. Das Ziel einer gemeinsamen logischen Grundlage von Informatik und Physik birgt eine gewaltiges Forschungspotential in sich.

 

 

 

0. Vorbereitung

 

 

Die beiden LEA-Hauptseminare über Quantencomputing im WS02/03 bzw. WS03/04

haben eine unterschiedliche Intention.

 

Im ersten lag der Schwerpunkt auf der formalen Präsentation von Ergebnissen im Rückblick bis hin auf die Anfänge des Quantencomputing.

 

Es wurden historische Meilensteine betrachtet.

 

In diesem zweiten Seminar, insbesondere in dem heutigen Beitrag, sollen die Ergebnisse des Quantencomputing in einen größeren wissenschaftlichen Kontext gestellt und Meilensteine zukünftiger Forschung dargestellt werden.

 

Der Anspruch, "Meilensteine zukünftiger Forschung darstellen" zu können, ist aber nicht in gleicher Weise erfüllbar, wie ein historischer Rückblick. Jeder der schon einmal ein Forschungsprojekt formuliert hat, weiß, daß es dazu nicht genügt, interessante Fragen zu stellen. Ein Gebiet wie Quantencomputing wäre voll von interessanten Fragen. Welche Bedeutung hat Quantencomputing, und für wen? Gehört Quantencomputing zur Physik, Informatik, oder Mathematik? Welche bisher nicht gelösten Probleme können von Quantencomputern gelöst werden? Hat die Turingmaschine ausgedient? Wie schnell sind Quantencomputer?

 

Der Katalog von Fragen kann ergänzt, sortiert, bearbeitet werden. Insgesamt aber ist er nutzlos, so lange nicht die zentralen, d.h. zukunftsweisenden Fragen gestellt worden sind. Diese ergeben sich aber nicht aus Ansätzen von Brainstorming.

 

Zentrale Fragen zukünftiger Forschung ergeben sich aus den großen Linien historischer Entwicklungen und strategischer Interpretationen

 

Dieser Vortrag hat das Ziel, zentrale Fragen aus tragfähigen Interpretationen heraus zu entwickeln.

 

 

<!--Kommentar:

Interpretation ist ein wissenschaftstheoretischer Grundbegriff, und als solcher eine der beiden dialektischen Säulen wissenschaftlicher Forschung. Diese Säulen sind

- Formale Präsentation (Theorie)

und

- Interpretation (Experiment,...).

 

Interpretation ist schwierig, aber zugleich Voraussetzung von Forschung.

 

Mit Interpretation ist also nicht gemeint

ein philosophisches Räsonieren über allgemeine Konsequenzen von Forschung und dergleichen.

 

Mit Interpretation sind zunächst auch nicht gemeint

die interessanten, wissenschaftspolitischen Fragen, beispielsweise die Frage, ob die Bedeutung des Quantencomputing gegeben ist durch die Chance auf enorme Rechenleistung durch Quantenrechner.

 

Interpretation ist die informelle Anwendung eines Formalismus in einem realen Kontext und damit

die Frage nach dem Sinn oder der Bedeutung einer Theorie,

die Frage nach den Widersprüchen,

die Frage nach dem Beitrag einer Theorie zum Verständnis eines Gebiets,

den Fragen der Grenzen der Anwendbarkeit, usw..

 

Interpretation ordnet also stets ein in einen höheren Kontext und macht Bedeutung und Widersprüche sichtbar.

 

Interpretation ist auch das, was Physiker als Experiment bezeichnen.

 

Damit ist klar,

Interpretation ist ein schwieriges, aber unverzichtbares Unternehmen,

Interpretation ist die Voraussetzung für zukünftige Forschung.

 

Meister der Interpretation sind die Physiker.

 

Außerdem sind die Physiker gerade dabei, traditionell geisteswissenschaftliche Gegenstände (z.B. Mathematik und Informatik) als zur Physik gehörig zu interpretieren, was allerdings weniger meisterhaft als vielmehr machtbewußt ist.

:Ende Kommentar-->

 

 

 

 

1. Schnittstelleninterpretation des Quantencomputing

 

Eine der tief zielenden Interpretationen, die ein Schlüssel für ein gewaltiges Forschungspotential zu sein scheint, ist die folgende:

 

(Schnittstelleninterpretation)

Quantencomputing (Quantenrechnen, Quanteninformationsverarbeitung) ist ein wissenschaftliches Grenzgebiet, durch das

1. die Informatik in die Physik übergeht,

2. die Physik in die Informatik übergeht.

 

Diese Interpretation bleibt durchaus in einer bildhaften, ungenauen Sprache. Aber sie ist verbindlicher und inhaltsreicher als es auf den ersten Blick scheint.

 

Diese sogenannte Schnittstelleninterpretation benötigt beispielweise einen gewissen Konsens in der Frage, was (theoretische) Informatik ist oder sein sollte. Wir gehen davon aus, daß die Informatik ihren Gegenstand so definiert, daß sie mindestens auf "Augenhöhe" zur Physik steht. In meinem Beitrag stelle ich die theoretischen Gegenstände von Informatik und Physik als jene beiden Formen gegenüber, in denen sich für uns die Wirklichkeit in erster Näherung erkenntnistheoretisch abbildet und die man zunächst unabhängig betrachten kann. Wir sagen:

 

Die (theoretische) Informatik ist die Wissenschaft der abstrakten informationsverarbeitenden Prozesse, d.h. der Logik dieser Prozesse, nicht aber der Physis dieser Prozesse.

 

Jeder Informatiker kann mühelos über eine Turingmaschine nachdenken, ohne dabei eine konkrete, vielleicht elektronische Realisierung im Auge zu haben, denn es ist ja gerade der ungeheuere Vorteil der Informatik von konkreten Realisierungen zu abstrahieren.

 

Der Gegenstand der (theoretischen) Informatik ist in gleicher Weise

abstrakt und immaterial wie der Gegenstand der Mathematik. Im Gegensatz zur Mathematik allerdings fragt die Informatik nicht nur nach den Eigenschaften abstrakter Strukturen, so wie sie sind, sondern sie fragt auch nach einer Beschreibung des realen informationsverarbeitenden Prozesses des formalen Strukturierens. Letztendlich fragt die Informatik auch nach den logischen Bewußtseinsprozessen, d.h. nach den Gesetzen theoretischen Denkens, das der logische Ort jedweder Formalisierung ist.

 

Abgesehen von dem Konsens in der Frage des thematischen Gegenstands der Informatik, legt die Schnittstelleninterpretation aber auch nahe, daß die Gegenstände von Physik und Informatik eng aufeinander bezogen sind und an ihrer Schnittstelle in ein Umtauschverhältnis geraten, in dem die Interpretationen eines gemeinsamen Formalismus ausgetauscht werden.

 

Die Rechtfertigung dieser Interpretation werden wir leisten müssen. Schlußendlich werden wir daraus einige zentrale Fragen zukünftiger Forschung ableiten.

 

<!--Kommentar:

Dieser Konsens sollte möglich sein, ohne zugleich die Frage diskutieren zu müssen, welche ingenieurwissenschaftliche Anwendungsbezogenheit von der (praktischen) Informatik zu verlangen ist.

:Kommentar Ende-->

 

 

1.1 Grenzgebiet als Schnittstelle

 

Daß es eine Schnittstelle zwischen Physik und Informatik gibt, wurde bereits 1929 von Leo Szilard beschrieben, allerdings noch ohne Kenntnis von einer Informatik zu haben. Szilard hat den Begriff des bit erfunden und er verknüpfte die Entropie

 

D S = k*ln 2

 

mit der Setzung eines einzelnen Bit. (Der Name 'bit' stammt allerdings von Tukey.)

 

Später (1961) zeigte Rolf Landauer, daß das Löschen von Information ein dissipativer, also mit Energieverlust verknüpfter Prozess ist.

(Gedankenversuch mit einem Behälter aus 2 Kammern

und einem Gasmolekül, das in die linke oder rechte Kammer

gesetzt wird als Codierung des Bit.

Löschung bedeutet dann, daß das Molekül

jedenfalls in die linke Kammer verschoben wird.)

 

Charles Bennett hat dann 1982 das Rätsel um Maxwell's Dämon gelöst

bzw. die scheinbare Verletzung des 2. Gesetzes der Thermodynamik erklärt.

Die Lösung ist die Berücksichtigung der Informationsspeicherung

als korrespondierende Größe zum Entropieverlust.

 

Bekannt ist natürlich, daß Shannon den Informationsbegriff durch Sätze der Codierungstheorie in der Informatik etabliert hat.

 

John Preskill schreibt (Zitat aus seinen Lecture Notes for Physics 229):

 

"These examples illustrate that work at the

interface of physics and information has generated

noteworthy results of interest to both

physical and computer scientists."

 

Preskill nimmt also die Schnittstelle zwischen Physik und Informatik zur Kenntnis und schreibt weiter:

 

"The physics of information and computation has been a

recognized discipline for at least several decades.

This is natural. ...

The study of information and computation should be linked

to the study of the underlying physical process."

 

Preskill sagt allerdings "Information is physical".

 

Wir sagen "Information ist physikalisch und informatisch".

 

 

1.2 Informatik geht in die Physik über

 

Mit dem Bild der "Informatik, die in die Physik übergeht" ist gemeint, daß es Ergebnisse und Begriffe der Informatik gibt, die direkt gewissen Ergebnissen und Begriffen der Physik zugeordnet werden können. Als Beleg dafür zitieren wir die Autoren D. Deutsch, A. Ekert, R. Lupacchini

aus "Machines, Logic and Quantum Physics" (1999):

 

"Recent progress in the quantum theory of computation ...

forces us to abandon the classical view that computation,

and hence mathematical proof, are purely logical notions

independent of that of computation as a physical process.

Henceforward, a proof must be regarded

not as an abstract object or process

but as a physical process ..."

 

<!--Kommentar:

David Deutsch ist ein Autor, der offenbar als erster (1982) zeigen konnte, daß ein Quantencomputer zumindest theoretisch existiert, der durch Ausnutzung der Interferenz (Überlagerung) effizienter arbeitet als jeder klassische Computer.

:Kommentar Ende-->

 

Man sieht leicht den Zusammenhang mit dem 1. Teil der "Schnittstelleninterpretation", die wir vorangestellt hatten. Allerdings sieht man ebenso leicht, daß der zitierte Standpunkt eine extreme Überspitzung beinhaltet, die in dieser Form nicht haltbar ist.

 

Die Autoren (allesamt Physiker) behaupten im Kern,

daß die Mathematik ein Teil der Physik sei oder sein müsse.

Konsequenterweise müßte für die Informatik gleiches gelten.

 

Daß ein abstraktes Objekt oder ein Beweis als physikalischer Prozess angesehen werden muß, kann man bestreiten.

 

Beispielsweise hat Galois seine Theorie der endlichen Körper sicherlich gültig bewiesen, ohne auch nur die Spur eines Gedankens darauf verschwendet zu haben, ob physikalische Prozesse hinter abstrakten Objekten und Beweisen stehen. Die Evidenz von abstrakten Objekten und Operationen ist genau so elementar (oder noch elementarer) als das Wissen um physikalische Prozesse.

 

Offensichtlich gibt es eine Unabhängigkeit der Evidenz und Einsicht in abstrakte Gegenstände einerseits und der Kenntnisnahme irgendwelcher physikalischer Prozesse andererseits (zumindest in erster Näherung).

 

Ob abstrakte Gegenstände dann letztendlich mit physikalisch relevanten Größen zusammenhängen, vielleicht gar in einem Umtauschverhältnis stehen mit solchen Größen, ist eine andere Sache. Wenn solches der Fall ist, und dies scheint tatsächlich der Fall zu sein, dann könnte und kann mit gleichem Recht behauptet werden, die physikalischen Größen wären abgeleitet von abstrakten, also immaterialen, geistigen Größen.

 

Wenn also materiale und abstrakte (immateriale) Größen in Abhängigkeit geraten, dann beweist das doch eher, daß sowohl materiale als auch abstrakte Größen beides nur logische Projektionen einer völlig anderen, indirekten Wirklichkeit sind.

 

Ein solcher Gedanke einer "indirekten" Wirklichkeit, die sich zeigt, indem sie in ein Dualsystem von materialen und immaterialen Größen projiziert erscheint, würde uns jedenfalls die Austauschbarkeit von Größen an der Schnittstelle zwischen Physik und Informatik erklärlich machen, und nicht zu solch zwanghaften Positionen verleiten, wie "alles ist Physik" oder "alles ist Logik". (Letzteres sagt allerdings kein mir bekannter Naturwissenschaftler.)

 

Wie immer man den Standpunkt von Deutsch et al. beurteilt, das Zitat zeigt jedenfalls, daß die Physiker sich längst in einer progressiven Interpretationsphase befinden, in der sie damit beginnen, traditionell geisteswissenschaftliche Gegenstände als zur Physik gehörig zu reklamieren.

 

Wenn sich die Informatiker nicht bald auf den geisteswissenschaftlichen Gegenstand der Theoretischen Informatik besinnen, diesen erforschen und entsprechend interpretieren, dann wird die Physik diese Lücke füllen und den Informatikern wird genau das zu tun übrig bleiben, was man so und ähnlich in der Literatur zur Einführung in die Informatik lesen kann:

 

"Ziel der Tätigkeit des Informatikers ist die Erarbeitung

von Lösungen für Informationsverarbeitungsaufgaben

auf Rechenanlagen sowie für die Gestaltung, die

Organisation und den Betrieb von Rechensystemen..."

 

 

1.3. Physik geht in die Informatik über

 

Auf welche Weise kann jetzt umgekehrt die "Physik in die Informatik übergehen", d.h.,

 

Gibt es Beispiele physikalischer Theorien,

die im Kern rein logischer bzw. informatischer Natur sind?

 

Eine beispielhafte Antwort darauf wird von Jeffrey Bub in seinem Buch mit dem Titel "Interpretation of Quantum Mechanics" (1974) gegeben. Das Buch gab offenbar den Anstoß für die Entwicklung einer Quanten-Logik und Quanten-Wahrscheinlichkeitstheorie. Die jüngste Entwicklung dieser Gebiete wird z.B. beschrieben in dem Beitrag zur Stanford Encyclopedia of Philosophy von Alexander Wilce mit dem Titel "Quantum Logic and Quantum Probability" (2002).

 

Bub beschreibt in seiner Monographie, was die Quantenmechanik ist, nämlich

eine

universale, mathematische Wahrscheinlichkeitstheorie,

in der die klassische Wahrscheinlichkeitstheorie eingebettet ist.

 

Der Bezug zur Physik ist gegeben durch einige Anwendungsregeln und vor allem durch die erstaunliche Erfahrung, daß bisher offenbar alle physikalischen Zustände (d.h. alle vollständigen Beschreibungen eines bestimmten physikalischen Systems) im Rahmen der Quantenmechanik und deren Anwendungsregeln beschreibbar waren.

 

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet:

 

Die Quantenmechanik ist ein Beipiel einer physikalischen Theorie,

die im Kern rein logischer bzw. informatischer Natur ist

und deshalb auch als Quantenlogik zu bezeichnen wäre.

 

Die Geschichte der abstrakten Interpretation der Quantenmechanik als Logik beginnt bei John v. Neumann und Garrett Birkhoff.

 

John von Neumann hat die Eigenschaften quantenmechanischer Systeme, d.h. die quantenmechanischen Aussagen, dargestellt durch Projektionsoperatoren in Hilberträumen. Projektionen bilden die Vektoren des Raumes orthogonal auf einen (abgeschlossenen) Unterraum ab. Projektionen stellen (idempotente) Größen dar, deren Werte 0 und 1 darstellen können in der Bedeutung 1 für ein Ereignis, das zutrifft, und 0 für ein Ereignis, das nicht zutrifft. Die Werte werden durch die Eigenwerte der Projektionen dargestellt. Da die Projektionsoperatoren eineindeutig den abgeschlossenen Unterräumen im Hilbertraum entsprechen, und beide Mengen eine Verbandsstruktur tragen, gilt:

 

Es existiert ein Isomorphismus zwischen dem Verband aller quantenmechanischen Aussagen eines quantenmechanischen Systems und dem Verband aller abgeschlossenen Unterräumen des Hilbertraumes der Zustände dieses Systems.

 

v. Neumann und G. Birkhoff haben in ihrem berühmten Papier "The Logic of Quantum Mechanics" (1936) die Verbandsstruktur der Gesamtheit aller quantenmechanischen Aussagen eines Systems analysiert.

 

Die quantenmechanischen Aussagen eines Systems bilden einen orthokomplementären Verband.

 

v. Neumann bemerkte in seinem Buch "Mathematical Foundations of Quantum Mechanics" (1955), daß die Entsprechung der quantenmechanischen Aussagen und Projektionen bzw. Unterräume in Hilberträumen "makes possible some sort of logical calculus".

 

Demnach kann die

 

Quantenmechanik als eine Logik (Quanten-Logik)

 

bezeichnet werden, nämlich als die gemeinsame Logik aller physikalischen Zustände. Die klassische Aussagenlogik ist dabei in die Quantenmechanik eingebettet.

 

Es ist bemerkenswert, daß die Arbeiten und Ideen von Birkhoff und v. Neumann erst ab ca. 1957 wiederentdeckt wurden, z.B. in einer Arbeit von Gleason (Gleasons Theorem), später dann von Jauch und Piron (1963, über hidden variables). Es ging nun um die Frage des Verhältnisses von quantenmechanischen Aussagesystemen und klassischen Aussagesystemen der Logik bzw. Wahrscheinlichkeitstheorie, und diese Frage war eine der Fragen im Umfeld der Vollständigkeitsfrage für die Quantenmechanik (Hidden Variable, usw.).

 

Klassische Aussagensysteme lassen sich als Boolesche Algebren auffassen. Diese konstruiert man als Lindenbaum-Tarski Algebra beispielweise zu einer Theorie in der Prädikatenlogik erster Stufe. Eine Boolsche Algebra ist ein distributiver orthokomplementärer Verband. Die Eigenschaft der Orthokomplementarität hat eine Boolsche Algebra gemeinsam mit dem System der abgeschlossenen Unterräume in einem Hilbertraum, welches aber wiederum nicht distributiv bezüglich seiner Verbandsoperationen ist. Die Distributivität macht aus einem orthokomplementären Verband eine Boolesche Algebra.

 

Der Verband abgeschlossener Unterräume eines Hilbertraums ist nur in gewissen maximalen Bereichen distributiv, und zwar genau in maximalen Mengen von Unterräumen, die zu untereinander vertauschbaren Projektionen gehören.

Diese maximalen Mengen von Unterräumen also sind echte Boolsche Algebren. Insofern also sind die klassischen Booleschen Algebren, d.h. klassischen Logiken, in die quantenmechanischen Aussagensysteme einbettbar.

 

Es gibt interessante Theoreme, die zeigen, daß die Umkehrung nicht gelten kann. Quantenmechanische Aussagensysteme (relative Boolesche Algebren) können nicht vernünftig in klassische Boolesche Algebren eingebettet werden. Dies ist im Kern die Aussage der Arbeit von Kochen und Specker (1967).

 

Zusammenfassend können wir sagen, daß sich die Quantenmechanik, aus der Physik kommend, in gewisser Weise als abstrakte Logik verselbständigt hat.

 

Physiker haben dafür meist die Erklärung parat, daß die Quantenmechanik gleichsam ein "Tool" sei, das bei jedem physikalischen System, d.h. also "universal", anwendbar sei. Mehrfache Zitate erspare ich mir.

 

 

<!--Kommentar:

Ausdrücklich zynisch ist anzumerken, daß die grassierende Toolsucht hier wieder ein bemerkenswertes Beispiel von Ignoranz abliefert. Warum eigentlich ringt man sich nicht zu der Einsicht durch, daß die Frage nach "universalen Tools zur theoretischen Darstellung der Wirklichkeit" aus der Zuständigkeit der Physik hinausführt in traditionell gesteswissenschaftliche Bereiche?

 

Das universalste "Tool" zur theoretischen Darstellung der Wirklichkeit heißt noch immer Logik und dürfte doch eher in die Zuständigkeit der Informatik fallen, allerdings erst dann, wenn auch die Informatik sich von Toolsucht frei macht.

<--Ende Kommentar>

 

Warum sollten wir nicht die Frage stellen,

 

ob nicht die Quanten-Logik interpretiert werden kann innerhalb einer Theorie des logischen Denkens und als formale Verallgemeinerung der klassischen Logik?

 

Für die Informatik wäre diese Frage zentral, da die Informatik ihre Wurzeln u.a. in der mathematischen Logik hat.

 

 

 

2. Quantenlogik vs. Informatische Logik

 

Wir sind nun an einem äußerst interessanten Punkt angelangt.

Es bleibt zumindest die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,

 

daß die Quantenmechanik im Kern einer Einsicht in unseren logischen Denkprozeß gleichkommt.

 

Die Untersuchung dieser Möglichkeit könnte beginnen mit der Zuordnung von Begriffen der Quantenmechanik zu entsprechenden Begriffen der Theorie der logischen Denkprozesse, wobei wir zunächst die Frage zurückstellen müssen, was denn die "Theorie der logischen Denkprozesse" sein sollte.

 

Die naheliegende Frage wäre also, welche logischen Begriffe den quantenmechanischen Begriffen entsprechen würden.

 

Welcher logische Begriff entspricht beispielsweise dem quantenmechanischen Begriff der "Observablen", d.h. dem Begriff einer physikalischen Größe bzw. eines physikalischen Objekts schlechthin, der folgende quantenmechanische Annahmen beinhaltet.

 

1. Ein physikalisches Objekt existiert nur "als" Beobachtung,

d.h. "als" temporäre Realisierung einer Observablen.

 

2. Das "Erzeugungsgesetz" der physikalischen Objekte (als Beobachtung) folgt einer Wahrscheinlichkeitsbeschreibung in Gestalt sogenannter Zustände, die nicht beobachtbar sind, die also selbst keine physikalischen Objekte darstellen.

 

3. Die Transformation der Zustände wird durch Reversibilität beschrieben (unitäre Transformationen).

 

Diese Annahmen sind konsistent mit den quantenmechanischen Anwendungsregeln.

 

Die Annahmen gehen aber insofern über die in der Physik üblicherweise gemachten hinaus, als wir nicht die unabhängige Existenz auch nur irgendeines physikalischen Objekts fordern, denn physikalisch gesehen existiert nur ein "Zustandsraum" der ein Kontinuum von Zuständen enthält. Das "physikalische Objekt" dagegen ist ein logischer Platzhalter, der in der Beobachtung bewußt subjektiv auftritt, und dies auch nur dann, wenn in der Beobachtung (Messung) ein Dekohärenzeffekt stattfindet.

 

Kommen wir zurück zu der Frage, welche logischen Begriffe den quantenmechanischen Begriffen entsprechen.

 

Leider sind wir zunächst nicht einmal in der Lage, diese Frage sinnvoll zu stellen, denn sie setzt voraus, daß es eine "Theorie der logischen Denkprozesse" gibt. Welche Theorie soll das aber sein?

 

Es gibt Dutzende von Theorien des logischen Denkprozesses, von denen meist (glaubhaft) behauptet wird, sie seien gar keine Theorien des logischen Denkprozesses sondern vielmehr ein (axiomatisches) Tool.

 

Wir kennen bei Logiken ohne Berücksichtigung der Untergliederungen die mathematische, symbolische, formale, modelltheoretische, axiomatische, intuitionistische, temporale, modale, operationale, nichtmonotone, fuzzy, mehrwertige, Kripke-, Typen-, rationale, kognitive, klassische, nicht-klassische, polykontexturale, aristotelische, kantsche, transzendentale, dialektische, usw., usw. ... Logik.

 

Die zentrale Ursache für diese geisteswissenschaftliche Zersplitterung ist zeitlich zu lokalisieren in der Zeit der wissenschaftlichen Krisen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Um 1900 wurden die Russelschen Antinomien der Mengenlehre bekannt und die klassische Physik der Mechanik und des mechanistischen Atommodells verstrickte sich in Widersprüche. Vorreiterin dieser Krisen war allerdings die Philosophie, deren Krise wahrscheinlich schon um 1830 begonnen hatte mit der Hegelschen Kritik der klassisch-aristotelichen Logik.

 

Aus den Krisen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gingen die Wissenschaften unterschiedlich hervor.

 

Betrachten wir die Physik. Um das Jahr 1920 datiert die Entdeckung der Quantenmechanik als Verallgemeinerung der klassischen Mechanik. Die nachfolgende Kritik der Quantenmechanik brachte sogenannte Paradoxien hervor, eine davon war die Schrödinger'sche Katze, von der man nicht weiß, ob sie lebt oder tot ist.

 

Es gab auch tiefliegende Kritik der Quantenmechanik, die sich auseinandersetzte mit den Anforderungen an eine klassische physikalische Theorie, die angeblich von der Quantenmechanik nicht erfüllt würden (Einstein). Diese Kritik hängt zusammen mit dem Thema Bell'sche Ungleichungen, die in jeder klassischen, d.h. "vernünftigen" Theorie, zu gelten haben (EPR Kritik, siehe entsprechender Vortrag im Seminar).

 

80 Jahre Quantenmechanik haben aber, mit immensem Aufwand an Experimenten, gezeigt, daß Quantenmechanik ein äußerst robustes "Tool" ist mit unbestritten universaler Anwendbarkeit. Heute gilt die Quantenmechanik als bestbewiesenste physikalische Theorie, und die klassische Mechanik ist darin eingebettet.

 

Aus den wissenschaftlichen Krisen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ging also die Physik hervor mit der Lösung ihrer Probleme durch eine tragfähige Theorie.

 

An dieser Stelle wollen wir aber auch festhalten, daß die Tragfähigkeit der Quantenmechanik als Theorie nicht darin besteht, daß sie "verstanden" wird, sondern darin, daß sie sich als universal anwendbares "Tool" erwiesen hat. Es gilt ja der Ausspruch als besonders genial, der da besagt, daß man die Quantenmechanik dann nicht verstanden hat, wenn man sagt, man hätte sie verstanden. Nahezu in jedem einführenden Text werden die angeblichen Paradoxien der Quantenmechanik zum Besten gegeben ohne erkennbaren Versuch, dieselben zu beseitigen.

 

Dies deutet bereits an, daß die Quantenmechanik die logischen Krisen des vergangenen Jahrhunderts nicht überwunden hat.

 

Auf der geisteswissenschaftlichen Seite wurden die Krisen nicht überwunden sondern ignoriert, was zu der genannten Zersplitterung, ja Sinnentleerung (i.e. uninterpretierte Axiomatisierung) der Logiken führte.

 

1930 veröffentlichte Gödel seine Ergebnisse, die bewiesen, daß es arithmetische Aussagen gibt, von denen man widerspruchsfrei annehmen kann, daß sie wahr sind, aber auch daß sie falsch sind. Dies war sehr unangenehm für Mathematiker jeder Couleur, obschon bei Bekanntwerden der Russelschen Antinomien es hätte klar sein müssen, daß die absolute Existenz mathematischer Objekte ein Begriff war, der in seiner Absolutheit Unsinn ist.

 

Die lange Liste der verschiedensten Logiken dokumentiert die Versuche, einen Weg aus der Krise zu finden. Gotthard Günther hat aber nachgewiesen, daß alle Lösungsversuche letztendlich den Boden der klassischen Logik nicht verlassen hatten und somit scheitern mußten.

 

Und die Philosophie ist an den Defiziten der klassisch-aristotelischen Logik und der Unfähigkeit, sie zu überwinden, so gründlich gescheitert, daß sie jegliche Autorität verloren hat.

 

Die vielen verschiedenen Logiken haben sich allerdings behaupten können mit der Zusicherung, ganz praktische Dinge zu tun, gelegentlich mit Zeichen zu spielen und sich aus der Sinnfrage herauszuhalten. Die dabei erworbenen Verdienste der meisten "Logiken" sind unstrittig. Manche Logiken haben schlichten Unsinn hervorgebracht ("Ist ein Vogel mit gestutzten Flügeln noch ein Vogel?"). Jedenfalls ist die Zerplitterung völlig unbefriedigend, weil sie zu Begriffschaos geführt hat. Man denke nur an die Begriffe Menge, Unmenge, Klasse, Objekt usw..

 

Insbesondere aber, und dies ist das eigentlich Unbefriedigende, stellt keine dieser "Logiken" die Sinnfragen, sondern begreifen sich letztendlich auch nur als "Tool".

 

Wir wiederholen die Ausgangsfrage zum dritten Mal.

 

Welche logischen Begriffe entsprechen den quantenmechanischen Begriffen?

Auf welche Logik sollen wir uns dabei beziehen?

 

Der Name dieser Logik ist

 

Informatische Logik.

 

Sie basiert auf einer Idee zur Lösung der erwähnten geisteswissenschaftlichen Krisen, die von keiner der genannten Logiken in Betracht gezogen wurde. Die Idee ist im Kern,

 

den absoluten (klassischen) Existenzbegriff für abstrakte Objekte zu ersetzen durch einen dynamischen (realen) Existenzbegriff.

 

Für Einzelheiten verweise ich auf die Arbeit "Informatische Logik", W. Meixner (to appear). Die Idee geht zurück auf einen Vortrag 1989 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, in dem ich ein Axiomensystem für erzeugte abstrakte Objekte vorgestellt hatte.

 

Der Name 'informatische Logik' ist gerechtfertigt, weil die Informatik den Schlüssel für die Interpretation des dynamischen Existenzbegriffs besitzt, und dies ist der Platzhalterbegriff, der eng mit dem Variablenbegriff verknüpft ist.

 

Wir nennen im Rahmen dieses Beitrags nur einen einzigen zentralen Begriff der Quantenmechanik zusammen mit seiner Deutung in der informatischen Logik. Dies ist der Begriff der Observablen bzw. der Beobachtung.

 

In der informatischen Logik ist

 

das erzeugte Objekt eine natürliche Entsprechung zum Begriff des Ergebnisses einer Anwendung einer Observablen bzw. der Beobachtung in der Quantenmechanik.

 

Die Ursache, warum sowohl in der klassischen Logik als auch in der Quantenmechanik scheinbar Paradoxien entstehen, ist regelmäßig die falsche Anwendung eines idealen Existenzbegriffes auf eine dynamische Situation. Ich behaupte, daß die Krisen von Physik, Mathematik und Logik zu Anfang des 19. Jahrhunderts ausnahmlos in einem inadäquaten Existenzbegriff begründet waren.

 

Erst die informatische Logik schafft die Voraussetzungen zur adäquaten Interpretation der Quantenmechanik.

 

 

 

3. Inhalte der Quantenlogik

 

Die Quantenmechanik benutzt zur Beschreibung der physikalischen Wirklichkeit ein Dualsystem. Einerseits gibt es ein System, das aus einem Kontinuum von sogenannten Zuständen besteht (Zielsystem), und andererseits gibt es ein System (Ereignissystem) von physikalischen Objekten (Ereignissen, Ergebnissen von Beobachtungen), die aus der Anwendung (Messung) einer physikalischen Größe (der Observablen) in einem bestimmten Zustand hervorgehen oder hervorgehen können.

 

Physikalische Objekte (physikalische Ereignisse) treten auf genau bei der Wechselwirkung eines Beobachters mit einem Zielsystem von Zuständen. Die Wechselwirkung nennt man u.a. Messung oder Beobachtung.

 

Das Zielsystem ist durch Größen gegeben, die man Zustände nennt. Sie werden als Vektoren eines Hilbertraumes H (z.B. der Dimension n) dargestellt (Zustandsraum). Eine Bezeichnung für Zustände, die deren Bedeutung nahelegt, ist "statistische Zustände".

 

Die einfachsten nichttrivialen Systeme werden durch den

H2 (2-dimensionaler Hilbertraum) beschrieben.

 

H2, und jede x-beliebige physikalische Realisierung davon,

heißt qubit.

 

Eine physikalische Größe ist nun in der Quantenmechanik gegeben durch

einen hermiteschen Operator A auf H.

 

Hermitesche Operatoren besitzen ein vollständiges, orthonormiertes Eigenvektorsystem.

Im nicht-degenerierten Fall (Eigenwerte ai von Vielfachheit 1)

sind die Vektoren des Systems bis auf Phasendrehung eindeutig.

 

Befindet sich das Zielsystem vor der Messung in einem Zustand psi,

dann gibt es

 

1. vor der Messung eine Wahrscheinlichkeitsaussage,

daß der Eigenwert ai zum Eigenvektor xi mit Wahrscheinlichkeit

p(a=ai) = <xi| psi>* <xi| psi>

gemessen wird und

 

2. nach Messung von ai der Zustand xi vorliegt.

 

(weiteres in den Seminarvorträgen.)

 

<!--Kommentar:

Physikalische Objekte oder Größen treten auf bei der Wechselwirkung eines Beobachters mit einem Zielsystem.

 

Physikalische Objekte existieren nicht unabhängig von einem Beobachter, denn sie sind Größen seines Wahrnehmungssystems (bzw. eines Experiments als dem verlängertem Arm des Wahrnehmungssystems des Beobachters.

Die Beobachtung und Messung beispielsweise einer "Länge" ist nur möglich in der Sprache eines Beobachters, dessen logischer Apparat ihn zu dieser Beobachtung befähigt.

 

Diese Aussagen über physikalische Objekte oder Größen stammen ursprünglich keineswegs aus der Quantenmechanik, sondern stellen Einsichten dar in logische Wahrnehmung bzw. Logik des Denkens, jenem Denken, das offensichtlich Objekte und Größen produziert.

 

Die Quantenmechanik geht im wesentlichen von einem gleichen Sachverhalt

ausgeht:

physikalische Objekte oder Größen treten auf genau

bei der Wechselwirkung eines Beobachters mit einem Zielsystem.

Die Wechselwirkung nennt man u.a. Messung oder Beobachtung.

 

Meine Frage lautet: ob Quantencomputing eine Disziplin darstellt von so grundsätzlicher Bedeutung für die Informatik, daß man eine Revolution des wissenschaftlichen Gegenstandes der Informatik erwarten kann, beispielsweise eine Neudefinition von Information, Operation und Logik.

:Kommentar Ende-->

 

<!--Kommentar:

Stichpunkte weiterer inhaltlicher Themen:

Projektionen

abgeschlossene Unterräume

Kommutative Projektionen

Boolsche Algebren

Spektralzerlegung

Zustand definiert Wahrscheinlichkeitsmaß auf Boolscher Algebra

partielle Boolsche Algebren

Gleason's Theorem:

alle Maße auf partiellen Boolschen Algebren

sind durch Dichtematrizen gegeben.

Dichtematrizen als Verallgemeinerung der Zustände: Konvexkombinationen von Zuständen.

 

Der hermitesche Operator A, der eine physikalische Größe definiert, scheint nichts anderes zu sein als der Begriff einer erzeugten Zufallsvariablen, deren Zufallsverteilung durch den Zustand gegeben ist.

:Kommentar Ende-->

 

 

4. Forschungsziele

 

Geht man aus von der Schnittstelleninterpretation dann ergeben sich neue Fragen.

Könnte die Quantenlogik auch logisch entwickelt werden, d.h. aus den Notwendigkeiten des logischen Denkprozesses heraus?

Und umgekehrt, kann die Quantenlogik neue Einsichten in Sätze der Logik

oder neue Beweise von Theoremen, neue Theoremtypen liefern?

In welcher Weise hängen die Gödelschen Sätze mit der Quantenlogik zusammen?

Wie hängt die polykontexturale Logik mit der Quantenlogik zusammen?

Gibt es ein Energiekonzept in der Logik und Operationen der Energieerhaltung?

Wie lassen sich physikalische Zustände rein logisch verstehen?

Warum ist der Zustand ein Element eines Hilbertraumes und was bedeuted das für die Logik?

Gibt es eine neue Interpretation von wahr und falsch mit Hilfe der komplexen Zahlen?

Kann man in die informatische Logik alle Konzepte der Quantenlogik integrieren?

Welchen neuen Sinn erhalten die Algorithmischen Sprachen?

 

 

Den Vortrag möchte ich schließen mit einem Zitat Einsteins:

 

The most incomprehensible thing about the world is

that it is comprehensible.

 

Gemeint ist offenbar die augenscheinlich "unbegreifliche" Kontingenz

von Logik und Wirklichkeit.